Wintersemester 2015/2016, Theorie und Geschichte

HEIMAT?

Heimat?

 

Eine Ausstellung im Foyer der weißensee kunsthochschule berlin, 14.12.15-28.1.16

 

„Unüberhörbar werden aber im Gefolge einer neuerlichen Begründungspflicht der Exklusivität nationaler Territorialstaaten gegenüber Einwanderungswilligen und Flüchtlingen wieder substan-tialisierte Herkunftskategorien ins Spiel gebracht, die den Erhalt homogener 'Heimat' als kulturelles Erbe einklagen möchten“ (Gertrud Koch, 1997)

 

Weder bloß in der Vergangenheit, noch erst seit gestern, sondern ganz aktuell ist der Heimatbegriff ein Kampfbegriff für rassistische, nationalistische und völkische sowie gewalttätige Politiken:

„Hinter dieser Verwendung des Begriffs steht ein gemeinsames Verständnis von Heimat als einmalige und unveränderte Identität und Herkunft. Heimat kann man sich nicht aussuchen, vielmehr existiert eine schicksalhafte Verbindung zwischen dem Boden, einer starren Kultur sowie den Menschen, die dort geboren sind.“ (Patrick Gensing, 2015)

 

Sprechen wir also nicht mehr von Heimat, sondern entwickeln Gegenbegriffe? Oder halten wir den Begriff im Gespräch, um so genauer über scheinbar naturhafte Zuschreibungen und in ihrem Gefolge über Ausgrenzungen sprechen zu können?

Denn besagt die Rede, Flüchtlinge haben ihre Heimat verlassen müssen, nicht zugleich, dass sie an den Ort ihrer vermeintlich wesenhaften Identität wieder zurück sollen? Weil man doch mit dem Fremden und in der Fremde nie heimisch würde?

 

Und wie steht es heute mit dem Befund und der Frage, die 1990 Elisabeth Bütfering nach der Sichtung eines Bahlsen- und eines Persilwerbespots zog: „Die Heimat der Männer sind die Frauen. Wo aber ist der Frauen Heimat? Bei den Männern? Wohl kaum“.

Gilt ihre These von der strukturellen Heimatlosigkeit der Frauen, bedingt durch einen patriarchalen da traditionell besitzorientierten Heimatbegriffs immer noch? „Zu den wichtigsten Komponenten von Heimat und Identität gehört nach landläufiger Auffassung die Muttersprache. Sind Frauen sprachlich nicht existent, kann auch ihre Realität geleugnet werden: beispielsweise beruflich, kulturell oder politisch.“ Besitz meint nämlich nicht nur den von Haus und Hof, sondern auch von Status, Geld und Macht.

Heimat ist nicht geschlechtsneutral und schon deshalb nur in der Mehrzahl zu haben, woraus zu folgern ist, dass die Verwendung des Heimatbegriffs die Aufmerksamkeit dafür herausfordert, welche anderen Differenzen und Differenzierungen verschwinden und getilgt werden (sollen).

 

Eine Ausstellung zeigt, gibt Vielfältiges zu sehen – aber beantwortet keine Fragen, schon gar nicht endgültig. Deshalb ist 'Heimat' hier: Nahwelt, Aneignung, Fremdheit, Geborgenheit, Ekel, Rück-blick, Vagabundieren, Begegnung.

 

Idee und Ausführung: Gabriele Werner und Christoph Rothmeier, Mona Schwager

 

Teilnehmer_innen:

Magdalena Emmerig, NIkos Metaxas, Anna Slobodnik, Alex Luna,Fritzi Jarmatz,René Reichelt, Sandra Stark, Gabriela Kapfer, Elena Carniova, Chloé Schöneck, Anastasija Antonenko, Theresa Hechtbauer, Elif Eronder, Ulrike Treitinger, Chantal Kirch, Birte Wallbaum, Essi Glomb, Rasa Weber

ProjektkategorieProjekt Projekt-Fächer Theorie und Geschichte
Magdalena Emmerig (2015)
Magdalena Emmerig (2015)
Bühnenbild zu \"Die Geier-Wally\", nach einem Roman von Wilhemine von Hillern (1875)
Alle Rechte vorbehalten Magdalena Emmerig