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Prof. Dr. Claudia Lehmann

ANGST - FEAR

Angst kennen wir alle nur zu gut. Höhenangst, Versagensangst, Verlustangst, Platzangst, Fremdenangst, Todesangst – die Liste ließe sich beliebig erweitern. Angst ist das, was uns antreibt, in Bewegung versetzt und handeln lässt, wenn auch manchmal irrational oder wenn die Handlung mit einer Phase der Erstarrung beginnt. Ohne Angst hätten die Menschen seit der Urzeit nicht überleben können. Es ist eine Triebkraft, wenn nicht sogar die Größte.

Angst wurde von verschiedenen Wissenschaftlern und Denkern thematisiert, untersucht und auch kategorisiert. Nach Sigmund Freud entsteht Angst durch mentale Konflikte. Er unterscheidet zwischen realistischer, neurotischer und moralischer Angst. Fritz Riemann formuliert vier Grundformen der Angst und dazugehörige Menschentypen. Angst ist aber nicht nur ein psychologisches Phänomen, sondern wirkt ganz pragmatisch in Gemeinschaften hinein und prägt so Gesellschaft. In Diktaturen, während des kalten Krieges und in Demokratien wird Angst ebenso politisch benutzt wie in Zeiten von Krisen, aber auch in krisenlosen Zeiten. Der vielbeschworene Feind von außen, der bedrohte Wohlstand, die nicht mehr zu bezahlenden Renten oder die drohenden Pandemien - es gibt kaum Lebensbereiche, in welchen nicht Angst als hysterisches Massenphänomen gesteuert oder ungesteuert auftritt. Mit dem Satz: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind,“ wirkten Angela Merkel und Peer Steinbrück in der Krise 2008 einer befürchteten Panik der Bevölkerung entgegen, um den Totalkollaps des Banken- und damit des Wirtschaftssystems zu verhindern. Auch wenn sie wussten, dass die Aussage nicht unbedingt der Wahrheit entspricht, so wurde jedenfalls verhindert, dass die BürgerInnen ihre Konten leer räumten.

Angst ist auch ein großes Thema in der Kunst. So zählt etwa DER SCHREI von Edward Munch zu den bekanntesten Gemälden der Kunstgeschichte und nimmt quasi den Expressionismus und – wie einer Vorahnung gleich - das kommende blutige zwanzigste Jahrhundert vorweg. Der expressionistische Film der zwanziger Jahre prägt zunächst auch das Genre der Angst, den Horrorfilm. So entstehen Filmklassiker wie NOSFERATU oder DAS CABINET DES DR. CALIGARI. Doch mittlerweile sind die filmischen Stilmittel angstschürender Filme so divers wie die Ursachen der Angst selbst.

Um ganz unmittelbar formulierte Angst in unserer diversen Gesellschaft geht es in dem Theatertext FEAR von Falk Richter. Richter entwickelte FEAR in Zusammenarbeit und in der Auseinandersetzung mit seinen PerformerInnen und seinem künstlerischen Team und wird in einem Webinar zu Gast sein. 2015 wurde das „Anti-AFD“ Stück uraufgeführt, nicht ohne den Protest aus den rechten Reihen, die möglicherweise Angst bekamen. FEAR soll nun der Ausgangspunkt für eine Erzählung mit digitalen Mitteln sein, die sich im Heute verortet und über den Text hinausgehen kann.

Nicht nur die Ängste haben binnen kürzester Zeit ein neues Gesicht bekommen. Die Geschehnisse der letzten Wochen und Monate haben uns schneller als gedacht in das 21. Jahrhundert katapultiert, so dass nun alle auf der Suche nach neuen Formen der Kommunikation sind. Die Theater wagen Online-Experimente, die Festivals streamen live, die sozialen Verhandlungsorte wandern ins Netz, wenn sie nicht dort schon waren.

Aber welche nachhaltigen Möglichkeiten bieten alle diese Optionen? Wie kann ich trotz digitaler Kommunikation, einen poetischen Erfahrungsraum generieren, den ich im besten Fall noch mit anderen teilen kann? Der Kurs beinhaltet ein Diskussionsforum zum Thema soziale Verhandlungsorte im Zeitalter der Digitalisierung. Wir setzen uns theoretisch und praktisch mit digitalen Formaten und insbesondere mit der Rolle und den Möglichkeiten des Theaters heute und in Zukunft auseinander und versuchen davon ausgehend neue Formen zu denken und zu entwickeln. Weitere virtuelle Vernetzungen sind in Planung, ein Treffen mit der Chefdramaturgin des Schauspielhaus Zürich Katinka Deecke, ein Austausch mit Prof. Barbara Junge von der Visuellen Kommunikation mit Schwerpunkt auf den „digitalen Rundgang“ oder mit den Kollegen aus dem Fachgebiet.

Die inhaltliche Konzeption steht im Mittelpunkt des Kurses. Das Konzept soll im Anschluss – zumindest als Prototyp - realisiert werden - als interaktives Online-Format, als digitaler Raum, als eine Art Netzkunstwerk oder als Essayfilm. Es geht auch darum, mit einfachen, individuell zur Verfügung stehenden Mitteln, eine Umsetzung zu wagen und in die Welt zu bringen.

Sommersemester 2020

2. Studienabschnitt

Weekday : Mittwoch

Cycle : Wöchentlich

Time: 08.00 h

Start : 22.04.20

End : 20.07.20

Location : n.n.


Number of participants : 0 (0)

Hours/week : 9

Credit Points : 12