Lehrangebote

Prof. Dr. Zane Berzina

BA/MA Textil- und Material-Design

Entwurfsprojekt

NATURE 2.0

Früher sah man die Natur als eine wilde, unberechenbare und bedrohliche Kraft, die gezähmt, kontrolliert und verändert werden musste, um sie den menschlichen Bedürfnissen und Wünschen anzupassen. Der Fortschritt der Menschheit ist zu einem großen Teil an den Technologien und Methoden gemessen worden, dies zu erreichen: durch Landwirtschaft, Industrialisierung, Biotechnologie, Digitalisierung, um nur einige zu nennen. Im 21. Jahrhundert kann der Einfluss der Menschheit auf unseren Planeten und sein Ökosystem mittlerweile kaum hoch genug eingeschätzt werden, sodass die Naturwissenschaftler heute vorschlagen, vom Ende des Holozäns zu sprechen und den Beginn eines neuen geologischen Zeitalters zu erklären – des „Anthropozäns“ oder „Zeitalters der Menschen“. Während in ihm die Natur, also Flora, Fauna und Klima, immer mehr vom Menschen gesteuert und manipuliert wird und sich so in eine kulturelle Kategorie verwandelt, werden die von den Menschen entwickelten technologischen Systeme und Umgebungen immer komplexer und unkontrollierbarer, sodass wir sie allmählich selbst als eine eigene Form von Natur zu verstehen.

Das Designprojekt NATURE 2.0 zielt darauf, diese unser Verhältnis zur Natur betreffenden und verändernden Dynamiken zu erfassen, unser Verständnis von „natürlich“ und „künstlich“ zu überdenken und die neuen Perspektiven zu erkunden, die der wissenschaftliche Fortschritt in den Bereichen Biomimetik, Bio-Engineering und synthetischer Biologie verspricht. Aus der Designerperspektive werden wir Eigenarten, Zukunft und Konsequenzen untersuchen, die diese Entwicklungen mit sich bringen mögen, und was dies für unsere Gesellschaft insgesamt und daraus folgend auch für unsere Praxis als Designer bedeutet. Die Designentwürfe können – im Rahmen des Textil- und Flächendesigns – sich mit den folgenden Ideen und Konzepten befassen, ohne auf sie beschränkt bleiben zu müssen:

Biomimetik – Lernen von der Natur

In diesem Kontext wird Natur als Modell, Maßstab und Mentor für die Entwicklung neuer Designlösungen und -strategien betrachtet. Im Zentrum steht ein Denkansatz, dem es weniger darum geht, wie wir uns die Natur zunutze machen, als vielmehr, was wir von ihr lernen können. Biomimetische Prinzipien, Nachahmungsprozesse, Mechanismen oder Verhaltensformen, die man in der Natur findet, werden hier genutzt, um, unter Verwendung vom Menschen hergestellter Materialien und digitaler Technologien, im Idealfall nachhaltigere und effizientere Designlösungen zu finden.

Biomaterialien

In diesem Untersuchungsbereich werden Physikalität und Ästhetik, Strukturen und Formen natürlicher Materialien studiert, um ihre sensuellen Qualitäten und ihr hohes transformatives Potential zu ermitteln. Entweder mit der Herangehensweise eines Kunsthandwerkers und einer neuen organischen Ästhetik im Sinn, die die Vielfalt der Formen und Materialien der Natur aufgreift, oder mit der eines Alchimisten, der künstlerische und wissenschaftliche Methoden verbindet, um ganz neue Prozesse, Oberflächen und biologisch basierte Materialien zu entwickeln.

Natur als Metapher

Hier dient die Natur als Bezugspunkt für Designs und Systeme, die Werte wie Leichtigkeit, Balance, Flexibilität, Partizipation, Wachstum, Verspieltheit oder den Sinn für Zauberhaftes unterstützen.

Biofabrik – Natur als Kollaborateur

Dieser Strang untersucht Möglichkeiten einer symbiotischen Kollaboration mit der Natur als eine Designstrategie, um neue Techniken und Verfahren für die Entwicklung und Herstellung (z.B. durch Wachsen) von künstlerischen und gestalteten Produkten zu etablieren. Hier werden vor allem auch die Prozesse und Prinzipien von Wachstum und Metamorphose in den Blick genommen.

Programmierbare Natur – schöne neue Welt

In diesem Kontext werden in ferner Zukunft liegende Designszenarien in den Blick genommen und kritisch durchleuchtet, die sich auf die Möglichkeiten aktuellster Bio-Engineering-Verfahren beziehen. Designerische oder künstlerische Arbeiten können hier in direkter Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern entwickelt werden, mit Methoden, die in der synthetischen Biologie Einsatz finden, oder bei denen biologische und elektronische oder andere nicht-lebende Systeme miteinander verbunden werden. Diese Linie künstlerischer Forschung soll sowohl die Möglichkeiten zukünftiger Produktionsweisen, die lebende Technologie einsetzen und manipulieren, als auch die durch solche Praktiken aufgeworfenen ethischen Fragen untersuchen.


Zur Beurteilung des NATURE 2.0 Projekts sind die folgenden Elemente obligatorisch:
- das individuelle Designprojekt
- schriftliches Konzept
- Logbuch
- Unterlagen zur theoretischen Recherche (Kontext)
- Unterlagen zur praktischen Recherche – Tests, Experimente, Materialsamples, technische Versuche
- Projektdokumentation
- Zwischen- und Endpräsentation des Projekts

Die nötige Unterstützung bei der Entwicklung des Designkonzepts und des gestalterischen Projekts, kontextuellen und Designforschungsmethoden, der Ausarbeitung des schriftlichen Konzepts, Struktur und Gestaltung der Dokumentation sowie der Wissensvermittlung durch Tutoren und technische Experten in den Workshops erfolgt sowohl über Gruppen- als auch über Einzelbetreuung.


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1 Next Nature: Nature Changes Along with Us by Koert van Mensvoort and Hendrik Jan Grievink. Barcelona/New York: Actar Publishers, 2011
2 Biomimicry: Innovation Inspired by Nature by Janine M. Benyus. New York: William Morrow, 1997

Wintersemester 2013/2014

Wochentag(e) : Do + Fr + nach Absprache

Turnus : wöchentlich und nach Absprache

Zeit: 10.00 h – 18.00 h

Beginn : 14.10.13

Ende : 13.02.14

Ort : Textil, A2.05


Anmeldung : Montag, der 14.10.2013 um 17h, Raum A205

Prüfungsform : Dokumentation + Projektpräsentation

Teilnehmerzahl : 15 (4)

Bachelor/Master - Modul : Entwurfsprojekt I - Material und Oberfläche